Bundesrat verstärkt flankierende Massnahmen

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Gesetzliche Lücken im Vollzug der flankierenden Massnahmen schliessen

Die flankierenden Massnahmen (FlaM) zur Personenfreizügigkeit funktionieren grundsätzlich gut. Sie müssen aber in einzelnen Bereichen ergänzt werden. Der Bundesrat hat das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement (EVD) am 6. Juli 2011 beauftragt, Massnahmen zur Bekämpfung der Scheinselbständigkeit zu ergreifen. Weiter soll die Durchsetzbarkeit von Normal- und Gesamtarbeitsverträgen verbessert werden. EVD-Vorsteher Johann N. Schneider Ammann hat dem Bundesrat einen entsprechenden Antrag gestellt. Zudem beschäftigt sich der Bundesrat mit Fragen und möglichen Massnahmen, die sich im weiteren Zusammenhang mit der Personenfreizügigkeit und der Zuwanderung stellen.

Die FlaM sind seit dem 1. Juni 2004 in Kraft. Sie sollen verhindern, dass die Löhne in der Schweiz infolge der Personenfreizügigkeit mit der EU unter Druck geraten. Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass die FlaM ein wirksames Instrument sind, um die Lohn- und Arbeitsbedingungen zu überprüfen. Es hat sich aber auch herausgestellt, dass in der gegenwärtigen Gesetzgebung einzelne Lücken bestehen, insbesondere im Entsendegesetz und im Bundesgesetz über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen (AVEG). Das EVD arbeitet deshalb folgende Massnahmen aus:

  • Neue Bestimmungen im Entsendegesetz sollen eine gezielte Bekämpfung der Scheinselbständigkeit ermöglichen. Scheinselbständigkeit wird von Unternehmen vermehrt vorgetäuscht, um zwingende Mindeststandards bezüglich Lohn- und Arbeitsbedingungen zu umgehen. Für Selbständigerwerbende gelten diese Mindeststandards nicht. Die Sanktionsmöglichkeiten in der heutigen Gesetzgebung sind begrenzt und sollen nun gestärkt werden.
  • Gesetzliche Anpassungen sollen es ermöglichen, zwingende Mindestlöhne in Normalarbeitsverträgen (NAV) gegenüber Schweizer Arbeitgebern durchzusetzen und nötigenfalls zu sanktionieren, wenn sie sich nicht daran halten.
    Im Falle wiederholter missbräuchlicher Unterbietungen der orts-, berufs- und branchenüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen können Bund und Kantone befristet NAV mit zwingenden Mindestlöhnen erlassen. In der gegenwärtigen Gesetzgebung fehlen allerdings Sanktionsmöglichkeiten gegen Schweizer Arbeitgeber, welche gegen diese zwingenden Mindestlöhne verstossen. Das stellt die Wirksamkeit der NAV in Frage.
  • Schliesslich wird das Bundesgesetz über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen (AVEG) angepasst: Neu sollen Arbeitgeber mittels Konventionalstrafen sanktioniert werden können, wenn sie gegen Mindestlöhne in erleichtert allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen (GAV) verstossen. Besteht in einer Branche ein GAV und werden wiederholt missbräuchliche Unterbietungen der Lohn- und Arbeitsbedingungen festgestellt, können Bestimmungen im GAV erleichtert allgemeinverbindlich erklärt werden. Dabei handelt es sich um Regelungen über die minimale Entlöhnung, die ihr entsprechende Arbeitszeit sowie die paritätischen Kontrollen. Sanktionsmöglichkeiten wie Konventionalstrafen können gestützt auf das heutige AVEG allerdings nicht erleichtert allgemeinverbindlich erklärt werden.

Das EVD wird dem Bundesrat im Herbst 2011 eine Gesetzesvorlage unterbreiten, welche diese gesetzlichen Lücken im Vollzug der FlaM schliesst.

Das SECO prüft zudem Massnahmen zur Verbesserung des Informationsaustausches und der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Vollzugsakteuren (Sozialpartner, paritätische Kommissionen, Kantone, Bund) im Bereich der Kontrollen der Lohn- und Arbeitsbedingungen. Zu diesem Zweck hat der Vorsteher des EVD, Bundesrat Johann N. Schneider-Ammann, eine Arbeitsgruppe der Verwaltung, der Sozialpartner und der Kantone beauftragt, ihm bis im Herbst Verbesserungen für den Vollzug vorzuschlagen.

Der Bundesrat wird sich im Übrigen im Herbst erneut mit Fragen befassen, die sich im Zusammenhang mit der Personenfreizügigkeit und der Zuwanderung stellen. Zur Vorbereitung entsprechender Massnahmen hat er vor einigen Wochen eine bundesrätliche Arbeitsgruppe ins Leben gerufen (mit Vorsteher- und Vorsteherinnen von EVD, EJPD, EDA). Bereits im Frühjahr 2010 hat er Massnahmen beschlossen, welche eine restriktivere Auslegung der Einwanderungsregeln zur Folge haben.

(BR, 06.07.2011)