Neue ZPO: Änderungen im Mietrecht

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Seit 1. Januar 2011 ist die Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO) in Kraft getreten, welche dazu führt, dass das Prozessrecht nunmehr vollumfänglich auf Bundesebene geregelt ist und die bisherige diesbezügliche kantonale Kompetenz vollumfänglich derogiert wird. Dies bringt auch bezüglich Verfahren und Behörden im Bereich Mietrecht einige Änderungen mit sich.

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Anzumerken ist vorab, dass in grundsätzlicher Weise die bisherigen im OR und Gerichtsstandgesetz fixierten bundesrechtlichen Verfahrensvorschriften in die neue ZPO integriert worden sind. In diesem Sinne ist festzuhalten, dass die gesamten im mietrechtlichen Teil des Obligationenrechts (OR) geltenden Verfahrensvorschriften mit Inkrafttreten der neuen ZPO ausser Kraft treten.


Neue ZPO - Prüfung der Mieterstreckung von Amtes wegen
In Art. 273 Abs. 5 OR wird per 01.01.2011 neu festgehalten, dass im Falle der Abweisung eines Anfechtungsbegehrens (Kündigung) des Mieters die Schlichtungsstelle von Amtes wegen, also ohne dass der Mieter ein entsprechendes Begehren gestellt haben muss, die Frage der Erstreckung des Mietverhältnisses prüfen muss.

Anrufung der Schlichtungsstelle nach neuer ZPO
Zu erwähnen ist weiter, dass die ZPO bestimmt, dass mit Ausnahme von einigen hier nicht interessierenden Streitsachen (z.B. Ehescheidungsverfahren) grundsätzlich immer zuerst eine Schlichtungsstelle angerufen werden muss. Für die Kantone, welche die Institution des Friedensrichters kennen, ist dies bereits eine Selbstverständlichkeit. Für andere Kantone, wie beispielsweise Basel-Stadt, bedeutet dieses Obligatorium hingegen Neuland. Es muss somit zwischen Vorschriften, welche für alle Schlichtungsstellen und somit auch den Schlichtungsstellen für Mietstreitigkeiten, und solchen, welche speziell und einzig für die Schlichtungsstellen für Mietstreitigkeiten gelten, unterschieden werden.

Verzicht auf Schlichtungsverfahren nach neuer ZPO
Daneben bestimmt die neue ZPO, dass die Parteien bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten bei einem Streitwert von über CHF 100'000.-- gemeinsam auf die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens verzichten können. Auf die Anrufung der Schlichtungsstelle kann im Übrigen von der Klagepartei verzichtet werden, wenn die Beklagte Sitz oder Wohnsitz im Ausland hat oder deren Aufenthaltsort unbekannt ist.

Neue ZPO - Zusammensetzung der Schlichtungsstelle
Schliesslich ist festzuhalten, dass die Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten - wie bislang - paritätisch zusammengesetzt sein muss, d.h. es müssen - neben einem Vorsitzenden - jeweils ein Vertreter der Vermieter- und Mieterinteressen Einsitz nehmen.

Beratungstätigkeit der Schlichtungsstelle nach neuer ZPO
Die Schlichtungsbehörden sind verpflichtet, Mieter und Vermieter ausserhalb eines Anfechtungsverfahrens, insbesondere vor Abschluss eines Mietvertrages, zu beraten. Sie haben namentlich Mietern und Vermietern behilflich zu sein, sich selbst ein Urteil darüber zu bilden, ob ein Mietzins missbräuchlich ist.

Wie diese Beratungstätigkeit in den Kantonen gehandhabt wird, ist unterschiedlich. Teilweise wird sie delegiert oder die Mitglieder der Schlichtungsbehörden beraten selbst aktiv. Dass eine möglichst objektive und neutrale Beratung stattfinden sollte, versteht sich von selbst, in der Praxis ist dies jedoch aus verschiedensten Gründen nicht immer leicht.

Neue ZPO - Streitschlichtung durch Vermittlung
Die Hauptfunktion der Schlichtungsbehörde ist - wie ihr Name schon sagt - das Schlichten bei Streitigkeiten. Dieser Versöhnungsversuch hat in formloser Verhandlung zu erfolgen.

Daraus ist zu folgern, dass im Gegensatz zur bisherigen Praxis von einigen Kantonen (z.B. Kanton Basel-Landschaft) auch kein Verhandlungsprotokoll mehr geführt werden darf. Das ergibt sich auch ausdrücklich aus Art. 205 Abs. 1 ZPO, welcher bestimmt, dass die Aussagen der Parteien weder protokolliert noch später im Entscheidverfahren (Gerichtsverfahren) verwendet werden dürfen.

Eine Ausnahme gilt für diejenigen Fälle, wo die Schlichtungsbehörde entscheidet bzw. im Bereich Miete von Wohn- und Geschäftsräumen einen Urteilsvorschlag tätigt. Was diese Ausnahmen umfasst, regelt das Gesetz nicht. Die Botschaft spricht davon, dass das Abfassen einer Kurzbegründung gemeint sei.

Im Übrigen ergibt sich nach Ansicht des Verfassers aus der gesetzlichen Formulierung, dass in allen Fällen zwingend ein Vergleichsvorschlag vorzulegen ist. Die von gewissen Schlichtungsbehörden getätigte Praxis, bei den Parteien zunächst nachzufragen, ob überhaupt Vergleichsbereitschaft vorhanden ist und bei Verneinung gar keinen mehr zu unterbreiten, dürfte deshalb gesetzeswidrig sein.

(Erstellt am 05.01.2011)