BGE: Street View - Teilsieg für Google / Datenschützer mit Urteil sehr zufrieden

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Datenschutzfragen zu Google Street View: Bundesgericht heisst Beschwerde von Google teilweise gut

Das Bundesgericht präzisiert die Anforderungen zur wirksamen Gewährleistung des Datenschutzes in Google Street View. Verlangt wird insbesondere die geeignete Anonymisierung von Bildern, auf denen Personen und Fahrzeugkennzeichen erkennbar sind. Im Bereich von sensiblen Einrichtungen, insbesondere vor Schulen, Spitälern, Altersheimen, Frauenhäusern, Gerichten und Gefängnissen ist eine vollständige Anonymisierung von Personen und Kennzeichen vorzunehmen.

Auf den in Google Street View im Internet aufgeschalteten Bildern von Strassen und Plätzen sind teilweise Personen, Fahrzeugkennzeichen sowie private Höfe und Gärten sichtbar. Google setzt zur Verwischung von persönlichen Merkmalen eine Software ein, mit der keine vollständige Anonymisierung von Personendaten erreicht wird. Somit kann Google Street View zur Verletzung von Persönlichkeitsrechten betroffener Personen führen.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte eine Klage des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) gutgeheissen und Google unter anderem verpflichtet, sämtliche Gesichter und Kontrollschilder unkenntlich zu machen, bevor die Bilder im Internet veröffentlicht werden. Dieses Urteil zog Google ans Bundesgericht weiter.

Dieses kommt aufgrund einer Interessenabwägung zum Schluss, es sei nicht gerechtfertigt, zusätzlich zur automatischen Anonymisierung vor der Aufschaltung im Internet eine vollständige Unkenntlichmachung aller Gesichter und Fahrzeugkennzeichen in Google Street View zu verlangen. Es heisst deshalb die Beschwerde teilweise gut.

Nach Auffassung des Bundesgerichts ist es in Kauf zu nehmen, dass höchstens ca. 1 % der Bilder ungenügend anonymisiert ins Internet gelangen und diese erst auf Anzeige der Betroffenen hin nachträglich manuell unkenntlich gemacht werden. Das setzt jedoch eine regelmässige gut erkennbare Information über die Widerspruchsmöglichkeit voraus. Diese hat über die Medien und auf der Internetseite von Google Street View zu erfolgen. Nachträgliche Anonymisierungsbegehren hat Google effizient und unbürokratisch auszuführen. Google muss ein entsprechendes kostenloses Angebot im Internet zur Verfügung stellen und überdies eine Postadresse für Beanstandungen bekannt geben. Die automatische Anonymisierung ist laufend dem Stand der Technik anzupassen.

Im Bereich von sensiblen Einrichtungen, insbesondere vor Schulen, Spitälern, Altersheimen, Frauenhäusern, Gerichten und Gefängnissen ist vor der Aufschaltung im Internet die vollständige Anonymisierung von Personen und Kennzeichen vorzunehmen.

Bilder von Privatbereichen wie umfriedeten Höfen, Gärten usw., die dem Einblick eines gewöhnlichen Passanten verschlossen bleiben, dürfen ohne Zustimmung der Betroffenen nicht in Google Street View veröffentlicht werden, soweit sie – wie bisher – von einer Kamerahöhe von über 2 m aufgenommen wurden.

Google ist verpflichtet, in regionalen und lokalen Medienerzeugnissen über bevorstehende Aufnahmen und Aufschaltungen von Bildern zu informieren. Ein blosser Hinweis auf der Homepage von Google wird dem Informationsanspruch der Bevölkerung nicht gerecht.

Urteil 1C_230/2011 vom 31.05.2012

 

Data protection matters in the context of Google Street View: Federal Supreme Court partially upholds Google's appeal

The Swiss Federal Supreme Court sets out the requirements for the effective safeguarding of data protection principles in the context of Google Street View. In particular, it orders that images which depict persons and vehicle number plates be suitably anonymised. In the vicinity of sensitive facilities, such as schools, hospitals, old people’s homes, women’s refuges, courts and prisons, the complete anonymisation of persons and vehicle number plates is required.

The images of streets and squares available via the online service Google Street View sometimes feature persons and vehicle number plates as well as private courtyards and gardens. Google uses software to blur personal features, but it does not provide complete anonymisation of personal data. Google Street View therefore has the potential to infringe upon the right to privacy.

The Federal Administrative Court upheld a claim by the Federal Data Protection and Information Commissioner (FDPIC) and ruled inter alia that Google was under the obligation to make sure that all faces and vehicle number plates were rendered unrecognisable before the images were published on the Internet. Google appealed against this judgement to the Federal Supreme Court. The Federal Supreme Court holds that it is not justified to require, in addition to automatic anonymisation prior to publication on the Internet, that all faces and number plates be rendered completely unrecognisable. It therefore upholds the appeal in part.

In the view of the Federal Supreme Court it must be accepted that up to a maximum of 1 % of the images uploaded are insufficiently anonymised and are manually rendered unrecognisable following a complaint by the persons concerned. This presupposes that information about the procedure for making an objection is clearly visible. This should be provided in the media and on the Google Street View Internet site. Google is required to meet requests that images be anonymised in an efficient and unbureaucratic manner. Google is required to make this procedure available free of charge on the Internet and also to publish a postal address to which complaints can be addressed. Furthermore, it must ensure that the automatic anonymisation process is kept up-to-date in line with technological advances.

In the vincinity of sensitive facilities, in particular schools, hospitals, old people’s homes, women’s refuges, courts and prisons, the complete anonymisation of images of persons and vehicle number plates must be undertaken prior to publication on the Internet.

Images of private places such as courtyards, gardens etc., which are not visible to passers-by, must not be published in Google Street View without the prior consent of the persons concerned if these images have been recorded, as has been the case in the past, by way of a camera positioned at a height of more than 2 meters.

Google is required to provide information in regional and local media about any forthcoming recording and publication of images. A mere note on Google’s web page will not suffice to meet this requirement that the public be kept informed.

(BGER-Communiqué 08.06.2012)

Harte Auflagen für Google

Nach dem Bundesverwaltungsgericht hat nun auch das Bundesgericht die Causa Google Street View entschieden und die Positionen des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten Hanspeter Thür (EDÖB) in den wesentlichen Punkten bestätigt. Das Gericht hält fest, dass auch ausländische Unternehmen dem Schweizer Recht und damit der Aufsicht des EDÖB unterstellt sind, und erteilt Google strenge Auflagen.

Mit dem Urteil vom 31. Mai 2012 in Sachen Google Street View hat das Bundesgericht harte Auflagen für Google erlassen und durch die Klärung einiger zentraler Rechtsfragen den Datenschutz in der Schweiz gestärkt. Es hält fest, dass das Schweizer Recht auch für ausländische Unternehmen gelte, solange ein enger Bezug zur Schweiz bestehe, und Street View demnach in die Zuständigkeit des EDÖB falle. Google bearbeite, so das oberste Gericht weiter, mit den Bildern im Onlinedienst Street View durchaus Personendaten und verletze mit der Veröffentlichung von nicht (genügend) verpixelten Bildern grundsätzlich das Recht am eigenen Bild und die Persönlichkeit der Betroffenen.

Das Bundesgericht unterstreicht, der oder die Einzelne solle sich nicht dauernd beobachtet fühlen müssen, und auferlegt Google in Einklang mit den Forderungen des EDÖB folgende Auflagen:

Das Bundesgericht verlangt, dass auf Aufnahmen von sensiblen Einrichtungen, insbesondere Frauenhäusern, Altersheimen, Gefängnissen, Schulen, Gerichten und Spitälern in Street View die vollständige Anonymisierung vor der Aufschaltung im Internet gewährleistet sein muss. Das oberste Gericht präzisiert, dass nebst den Gesichtern auch weitere individualisierende Merkmale wie Hautfarbe, Kleidung, Hilfsmittel von körperlich behinderten Personen etc. nicht mehr feststellbar sein dürfen. Das bedeutet, dass in diesen Fällen eine Verpixelung der Gesichter nicht genügt und eine manuelle Bearbeitung der Bilder erforderlich ist.

Der EDÖB hatte kritisiert, dass die hoch stehenden Kameras auch Einblicke in private Bereiche wie umfriedete Höfe und Gärten ermöglichen. Das Gericht stützt nun diese Sicht und hält fest, dass Abbildungen von Privatbereichen, die dem Einblick eines gewöhnlichen Passanten verschlossen bleiben, nicht ohne die Einwilligung der Betroffenen veröffentlicht werden dürfen. Für bereits aufgeschaltete Bilder gewährt das Gericht eine Übergangsfrist von drei Jahren für die entsprechende Korrektur, während neu aufzuschaltende Bilder dieser Anforderung genügen müssen.

Weiter muss Google besser informieren. Zum einen muss das Unternehmen die Hinweise auf die Widerspruchsrechte im Internet verbessern und Beanstandungen auch auf dem Postweg entgegennehmen. Zum anderen muss Google mindestens eine Woche im Voraus informieren, in welchen Städten und Dörfern Aufnahmen getätigt werden, und eine Woche vor der Aufschaltung bekannt geben, welche Örtlichkeiten aufgeschaltet werden. Diese Information muss nicht nur auf dem Internet, sondern auch in den lokalen Medien erfolgen.

Mit Bezug auf die Forderung des EDÖB, sämtliche Gesichter auf Street View müssten verpixelt sein, hielt das Gericht fest, dass die Fehlerquote maximal ein Prozent betragen darf, und auch das nur, wenn Google die Software laufend verbessert mit dem Ziel, diese Fehlerquote weiter zu reduzieren. Google muss diese Verbesserungen gegenüber dem EDÖB laufend dokumentieren.

Der EDÖB ist mit diesem Urteil sehr zufrieden, weil seine Rechtsauffassung in den zentralen Punkten bestätigt wird und das höchste Gericht damit unterstreicht, dass an die Anonymisierung von Personen bei der Veröffentlichung im Internet hohe Anforderungen zu stellen sind.

(EDÖB, 08.06.2012)